Donnerstag, 1. September 2022

Antragsschrift: Kurz und Knackig !

 

Es wird folgendes beantragt.

Die Beklagte wird verurteilt,

1.eine Entschädigung in Höhe von 7500 EURO an den Kläger zu zahlen.

2. die Bewerbungsunterlagen des eingestellten Bewerbers vorzulegen, um ihm den Nachweis zu ermöglichen, dass er besser qualifiziert sei als Letzterer.

 

Gründe:

Die Beklagte suchte per Stelleninserat in der H.....Zeitung einen Mitarbeiter m/w als Laborhilfe fuer den Präparatezuschnitt. Laut Stellenanzeige handelte es sich um eine leicht erlernbare Tätigkeit.

Besondere Vorkenntnisse wurden für diese Stelle nicht verlangt.

Der Beklagte bewarb sich daher am 30.5.22 per Mail- Bewerbung inkl. Unterlagen und teilte darin auch mit, dass er schwerbehindert ist und einen Gleichstellungsbescheid vorliegen hat. Dabei war auch der Gleichstellungsbescheid.

In der Bewerbung teilte der Kläger zusätzlich mit, dass er schon Rentner ist.

Die Beklagte reagierte jedoch nicht auf diese Bewerbung.

Mit Schreiben vom 17.8.22 fragte der Kläger nach dem Sachstand.

Er erhielt auch hierauf keine Antwort.

Mit Schreiben vom 22.8.22 erinnerte er erneut an den Vorgang und erbat auch unter dem Hinweis auf das EUGH Urteil C-415/10 vom 19.4.2012 um eine Antwort.

Auch hierauf erhielt er keine Antwort.

Der Kläger ist Auditor.

Er hat somit die Anforderungen für diese Stelle mehr als erfüllt.

Er ist wegen seines  Geschlechts, seines Alters oder seiner Behinderung ungünstiger behandelt worden als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.

Aus diesem Grunde hat der Kläger  nunmehr Anspruch auf eine Entschädigungszahlung nach den Richtlinien des Gleichstellungsgesetzes in Höhe von 3 Monatsgehältern.

Der Kläger  beziffert den ihm zustehenden Anspruch insgesamt mit 7500 EU ( 3 x 2500 je Monat).



Hintergrund:


Europäischer Gerichtshof
"Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2006/54/EG – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Arbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen für eine ausgeschriebene Stelle erfüllt – Anspruch dieses Arbeitnehmers auf Auskunft darüber, ob der Arbeitgeber einen anderen Bewerber eingestellt hat"
Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen sind dahin gehend auszulegen, dass sie für einen Arbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt, und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vorsehen, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat.
Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Beklagten ein Gesichtspunkt sein kann, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.

EuGH, Urteil vom 19. 4. 2012 – C-415/10 (lexetius.com/2012,1223)


https://lexetius.com/2012,1223

Cleverer Bürgermeister ?

 Wieder einmal können wir über einen aktuellen Fall berichten.

Eine Gemeinde hatte in der Tageszeitung eine Stelle für einen Hausmeister für die 6 Kindergaerten der Gemeinde ausgeschrieben.

In der Anzeige fand sich auch ein kleingedruckter Hinweis darauf, dass man das vollständige Stellenangebot auf der Homepage der Gemeinde einsehen könnte.

Ein 70 jähriger schwerbehinderter Rentner bewarb sich online auf diese Stelle.

Er erhielt jedoch nach 4 Monaten eine Absage ohne jede weitere Begründung.

Dagegen klagte der Rentner mit einer Konkurrentenklage.

Das von ihm eingeschaltete Anwaltsbüro beantragte fristgerecht innerhalb von 14 Tagen nach dem Erhalt der Ablehnung eine einstweilige Verfügung mit dem Antrag....

...Der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, die Stelle eines Hausmeisters nicht mit einem Konkurrenten zu besetzen, bis über die Bewerbung des Klägers erneut entschieden worden ist.

Begründet wurde das u.a.mit dem Urteil  9 AZR 277/2008 des BAG Bundesarbeitsgerichtes vom 25.3.2009, wonach jeder Deutsche Zugang zu einem öffentlichen Amt hat.

Im Gerichtstermin erschien dann der Kläger persönlich mit seinem Anwalt und der Bürgermeister der beklagten Gemeinde.

Es gab allerdings in der Sache sofort 2 Termine an einem Tag.

1. Den Termin zur Entscheidung über die beantragte einstweilige Verfügung

2. Eine Stunde später den Kammertermin zur Güteverhandlung in der selben Sache.

Der Herr Bürgermeister begründete die Nichteinladung des Klägers zum Vorstellungsgespräch so:

Der Bewerber war laut der eingereichten Bewerbung gar nicht für die ausgeschriebene Stelle geeignet. Denn in der ausführlicheren Stellenbeschreibung auf der Internetseite der Gemeinde war eine bautechnische Ausbildung gewünscht worden. Und laut der Bewerbung kam der Kläger aus dem Elektrobereich.

Dazu erklärte er der vorsitzenden Richterin die Notlage der Gemeinde:

6 Kindertagesstaetten, die auch wegen der Ukraine Flüchtlinge immer mehr Kinder versorgen müssten, brauchten unbedingt einen eigenen Hausmeister. Seine Gemeinde haette dazu eine neue Planstelle eingerichtet, die muesste jetzt schnellstens besetzt werden.

Im Vorfeld waren zwischen dem Bürgermeister und dem vom Kläger eingeschalteten Anwaltsbuero bereits telefonisch Vergleichsgespräche geführt worden. In denen hatte der Bürgermeister bereits 3 Monatsgehälter a 2500 EURO als Entschaedigung für die Nichteinladung angeboten.

Der Kläger begehrte allerdings 9 Gehälter, was der Bürgermeister aber abgelehnt hatte.

Die Richterin erörterte mit den Parteien den Sachverhalt.

Sie gab den Hinweis an den Bürgermeister, dass 3 Gehälter als Entschaedigung wohl nicht angemessen waeren. Auch deshalb nicht, weil die Gemeinde auch keine schriftlichen Unterlagen zum stattgefundenen Auswahlverfahren eingereicht hatte.

Ein Verstoss gegen die AGG Gesetze lag auf jeden Fall vor. Die Gemeinde hätte den behinderten Kläger zum Vorstellungstermin einladen müssen.

Der Herr Bürgermeister musste das schlucken.

Seine Position hatte sich damit deutlich verschlechtert.

Er gab dann den Hinweis, dass er einer Aufsicht unterliegen würde und dass er sich höhere Entschaedigungszahlen genehmigen lassen müsste. Er gab auch wieder den Hinweis, dass er aufgrund des in den Kindergärten  dringend benötigten Hausmeisters keine lange dauernden Gerichtsverfahren haben wollte.

Die Richterin zog sich zur Beratung mit den Beisitzern zurück.

Anschliessend schlug Sie einen Vergleich vor:

Die Gemeinde sollte 3 Gehälter a 3000 EURO, also insgesamt 9000 EURO  an den Kläger zahlen. Dazu hatte sie die aufgrund des Alters des Bewerbers vorhandene lange Berufs-und Lebenserfahrung in die Überlegungen mit einbezogen und das bei der Festlegung der Geldsumme / des Tarifs berücksichtigt.

Dieser Vergleich wurde dann auch vom Kläger akzeptiert !


Fazit:

Taktik und Taktieren im Gerichtsverfahren

Waere an diesem Tag kein Vergleich zustandegekommen dann hätte das Gericht die beantragte einstweilige Verfügung gegen die Gemeinde erlassen.

Die Gemeinde haette das Ausschreibungsverfahren wiederholen müssen. Die Gemeinde hätte ihn diesmal sicherlich zum Vorstellungstermin eingeladen. Ob der Kläger dann aber mit seiner Bewerbung Erfolg gehabt hätte weiß niemand. Immerhin gab es mehrere Bewerber für diese Stelle.

Der Kläger haette dann durchaus den kürzeren ziehen können und waere leer ausgegangen.

So kann er jetzt 9000 EURO als Gewinn verbuchen.