Das Antidiskriminierungsrecht bietet für Arbeitgeber eine Vielzahl von Fallstricken, insbesondere wenn es um die (rechtssichere) Ablehnung von Bewerbern geht. Lehrreich ist insoweit ein jüngeres Urteil des LAG Niedersachsen (Urteil vom 01.08.2018, 17 Sa 1302/17), welches sich mit dem Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung eines Rentners auseinandersetzen musste. Wir zeigen, was sich aus der Entscheidung für die tägliche Praxis ableiten lässt.
„… Es dürfen keine Rentner eingestellt werden …“
Der 71-jährige Kläger bewarb sich auf eine im Internet geschaltete Stellenausschreibung als Hauswirtschaftliche/ Anleiter/in (sic!) im Zentrum für Jugendberufshilfe der beklagten Stadt unter Hinweis auf seinen Status als Regel-Altersrentner.
Mit E-Mail vom 24. Mai 2017 teilte die Leiterin des Zentrums für Jugendberufshilfe der Beklagten dem Kläger folgendes mit:
… muss ich Ihnen leider mitteilen, dass bei der C. keine Rentner eingestellt werden dürfen. Ich bitte um Ihr Verständnis und bedanke mich für Ihr Interesse. Ihre Bewerbung hat mich sehr beeindruckt, aber sie konnte aus oben genannten Gründen nicht berücksichtigt werden. …
Der Kläger machte daraufhin schriftlich Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Der Fachbereich Personal und Organisation der Stadt versuchte die Situation zu retten, indem er dem Kläger mitteilte, dass die Formulierung der E-Mail missverständlich gewesen sei und nicht zutreffend. Da die Beklagte eine Entschädigungszahlung verweigerte, erhob der Kläger eine entsprechende Klage.
Erstinstanzlich wurde ihm eine Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern zugesprochen. In der hiesigen zweitinstanzlichen Entscheidung wurde die Entscheidung des Arbeitsgerichts dem Grunde nach bestätigt, lediglich hinsichtlich der Höhe der Entschädigung hatte die Berufung Erfolg – die Entschädigungssumme wurde auf ein Bruttomonatsgehalt reduziert.
Die Entscheidung
Das LAG Niedersachsen sah in dem Absageschreiben per E-Mail mit Bezug auf den Rentenbezug eine unmittelbare Benachteiligung i.S.d. § 3 Abs. 1 AGG. Die Beklagte konnte die nach § 22 AGG vermutete unterschiedliche Behandlung des Klägers wegen seines Alters nicht ausräumen. Insbesondere sei die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nicht nach § 10 AGG zulässig. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Tarifnorm des § 33 Abs. 1a TVöD berufen, welche lediglich die nach § 10 Abs. 3 Nr. 5 AGG zulässige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses regle. Das LAG hielt fest: Tarifnormen, welche die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichung der Regelaltersgrenze festschreiben, stellen keine Höchstaltersgrenze für Einstellungen dar.
Allerdings hielt das LAG Niedersachen auch fest, dass ein Arbeitgeber die Bewerbung eines Arbeitnehmers für ein Anschlussarbeitsverhältnis, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund einer zulässigen tariflichen Altersgrenzenvereinbarunggeendet hat, unter Hinweis auf dessen Alter ablehnen darf, weil andernfalls der Sinn der zulässigen tariflichen Altersgrenze konterkariert würde. Um Ungleichbehandlungen bei der Ablehnung der Einstellung von Altersrentnern zu vermeiden, müsse es daher möglich sein, unter derselben Begründung auch Bewerber ablehnen zu dürfen, die nicht unmittelbar zuvor in einem Beschäftigungsverhältnis zum Arbeitgeber standen.
Was folgt hieraus?
Nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens ist es möglich, eine Bewerbung aufgrund des Rentnerstatus abzulehnen, wenn der einschlägige Tarifvertrag die Wertung der Tarifvertragsparteien enthält, dass alle Arbeitsverhältnisse grundsätzlich mit der Erreichung der Regelaltersgrenze enden. Aufgrund dieser Wertung darf einem Altersrentner aber nicht bereits die Chance im Bewerbungsverfahren verwehrt werden.
Praxishinweis: Sofern in Ihrem Betrieb ein Tarifvertrag mit Altersgrenzenvereinbarung einschlägig ist, können Sie Bewerber nicht schon rechtssicher während des Bewerbungsverfahrens unter Hinweis auf ihren Rentenstatus ablehnen. Erst im nachgelagerten Auswahlverfahren dürfen Sie Altersrentner mit Blick auf die im Tarifvertrag enthaltenen Wertungen nicht weiter berücksichtigen.
Im Streitfall wurde der Bewerber bereits von Beginn an nicht in die Auswahl einbezogen, sondern schied unter Versagung der Chance, den Arbeitgeber von sich zu überzeugen, bereits von vornherein aus dem Bewerbungsverfahren aus, weshalb dem Kläger ein Entschädigungsanspruch zustand.
Neben der oben dargestellten Problematik ist der Fall auch lehrbuchartig in anderer Hinsicht: Eine arbeitgeberseitige Begründung der Ablehnung von Bewerbern ist nicht erforderlich, wird aber nach wie vor häufig verwendet – eine Fehlerquelle. Es empfiehlt sich daher mit Blick auf § 22 AGG, die Ablehnungsentscheidung überhaupt nicht zu begründen oder aber jedenfalls sorgfältig abgestimmte und geprüfte Formulierungen zu verwenden, will man aus anderen Gründen nicht auf eine “detaillierte” Ablehnung verzichten.
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