Freitag, 27. Januar 2017

AGG - Unrecht 3 / 17

AGG - Unrecht 3 / 17

Die Stadt Wolfratshausen suchte per Stellenausschreibung in 2016 einen technischen Mitarbeiter für die Betreuung der Technik im Rathaus.

Es bewarben u.a. sich 2 Bewerber:

Bewerber 1 war 63 Jahre jung. 
Bewerber 2 war 51 Jahre jung 

Bewerber 1 erhielt gar keine Antwort auf seine eingereichte Bewerbung.
Auch 2 im 4 Wochen Abstand verschickte Nachfragen blieben unbeantwortet.

Bewerber 2 wurde zum Vorstellungstermin eingeladen, sagte den krankheitsbedingt ab, bat um einen Ersatztermin, der auch bewilligt wurde.
Da die Erkrankung länger andauerte verpasste er auch diesen Ersatztermin.

Auf  schriftliche Nachfrage wurde ihm dann per Mail mitgeteilt, daß man sich für einen Bewerber entschieden hätte, dass die Stelle besetzt sei.

Die letzten  Nachfragen von beiden Bewerbern erfolgten an einem Tag ! 

Der  Witz an der Sache :

Am Folgetag, dem 26.01.2017 wurde die Stelle von der Stadtverwaltung Wolfratshausen neu in das Stellenportal Interamt.de eingestellt.

Eine Nachfrage bei der Redaktion von Interamt hat das bestätigt.
Diesmal geht die Ausschreibungsfrist bis zum 19.02.2017.
Die Stelle soll zum 1.07.2017 besetzt werden.

Ob der Bürgermeister Herr Klaus Heiliglechner wohl darüber informiert ist, was seine Mitarbeiter da so alles anstellen ?

Donnerstag, 19. Januar 2017

Die armen schwerbehinderten Bewerber

Schöne schöne Arbeitswelt - Arbeitgebermafia

Deutschland geht es so gut wie nie, die Zahl der Arbeitslosen ist so niedrig wie lange nicht.
Dass aber dabei 1 /3 der Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor arbeiten und teilweise das kleine Gehalt durch die Jobagentur aufstocken lassen müssen hängt niemand der Verantwortlichen gerne an die große Glocke.

Konzerne wie KIK mussten erst durch Klagen der Gewerkschaft dazu gezwungen werden den Mindestlohn zu zahlen.

Amazon kämpft um jeden Cent Lohn, regelmäßig gehen die Mitarbeiter in dem Versandlager Werne  in den Streik, um für bessere Bedingungen zu kämpfen.

Die Quote:
Private und öffentliche Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen sind verpflichtet, auf mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen

Es gibt das Schwerbehindertenrecht, das die Zahlung einer Ausgleichsabgabe vorsieht.

Schwerbehinderte haben als Arbeitnehmer in den Betrieben gemäss SGB IX eine besondere Stellung, sie haben besondere Rechte

Aber : Nicht allen Arbeitgebern ist das RECHT.

Es aber  Arbeitgeber, Personalleiter , KollegInnen, denen das SGB IX und das AGG vollkommen egal sind.

Bewerbungen von schwerbehinderten Bewerbern werden einfach ignoriert,
und ob da jetzt was von Schwerbehinderung steht oder nicht, ist doch alles Hupe. 

Schwerbehinderte kosten i. d. R. mehr Geld, sind öfter krank, haben mehr Urlaub, benötigen oftmals teure Hilfsmittel, leben ihren Schwerbehindertenstatus nach der Probezeit gerne mal aus.

Ja, welcher Chef, Kollege ... kennt das nicht? Es werden also auch schwerbehinderten Bewerbern, die das Anforderungsprofil 1000 %ig erfüllt haben und die ihre Schwerbehinderteneigenschaft gesetzeskonform in den Bewerbungsungerlagen angegeben haben, nicht eingeladen.

Einfach in der Hoffnung, dass die keine Entschädigunszahlungen geltend machen. 

Wenn die dann rummeckern werden die nachträglich eingeladen.

Und jeder weiß, an dieser Stelle dann wohl auch schon der Meckerer, dass diese nachträgliche Einladung den Fehler, nämlich das Nichteinladen, nicht heilt.

Dann, je nach EG und evtl. Verfahren, könnte es sehr teuer werden.

Aber günstiger, als einen schwerbehinderten einzustellen, der nach der Probezeit ständig krank ist!


Und ausserdem: 

Alle kommunalen Arbeitgeber sind für solche Klagen versichert, das bedeutet: 
Es ist dem Arbeitgeber oftmals einfach egal, ob eine Entschädigungszahlung an einen klagenden Bewerber gezahlt werden muss. Die Versicherungsprämie für die entsprechende Versicherung deckt das alles ab.

Am Ende zahlt also wieder der Steuerzahler für das rechtswidrige Verhalten des Arbeitgebers.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19.04.2012, Rechtssache: C- 415/10

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Auf Grund  des Urteils des Europäischen  Gerichtshofs (EuGH) vom  19.04.2012, Rechtssache: C- 415/10, haben Arbeitnehmer, die bei einer Stellenausschreibung leer ausgegangen sind, eben dann einen Anspruch   darauf, Unterlagen von Konkurrenten einsehen zu dürfen oder nähere Hintergründe über ihrer Ablehnung zu erfahren, wenn durch das totale Schweigen des Arbeitgebers offensichtlich ein Gesichtspunkt vorliegt, welcher das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lässt.

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Mittwoch, 18. Januar 2017

Erläuterungen zum AGG




Testing


Beim Testing bewerben sich zwei Testpersonen auf real ausgeschriebene Stellen, die keine Unterschiede in den relevanten Qualifikationen und Eignungen aufweisen. Dieses Verfahren darf aber nicht missbraucht werden.




Allein der Altersunterschied zwischen zwei Bewerbern lässt noch keine Diskriminierung wegen des Alters vermuten. Vielmehr ist zusätzlich eine größtmögliche Vergleichbarkeit der Personen, der Bewerbungssituation und das Fehlen anderer Aspekte notwendig. Darauf verweist der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz Klaus-Dieter Franzen, Landesregionalleiter "Bremen" des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V., unter Hinweis auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vom 9. April 2014, Az. 3 Sa 401/13.

Testing-Verfahren werden in der Forschung angewendet, um den Nachweis von Diskriminierung beim Zugang zum Arbeitsmarkt zu führen.
Testing-Verfahren werden in der Forschung angewendet, um den Nachweis von Diskriminierung beim Zugang zum Arbeitsmarkt zu führen.
Foto: Marco2811 - Fotolia.com

Der Fall: Die Beklagte suchte mit einer altersneutral ausgestalteten Stellenanzeige Servicetechniker bzw. Serviceingenieure. Der 50-jährige Kläger bewarb sich. Er verfügte über die geforderten Praxiserfahrungen, die er aber mehrere Jahre zuvor gemacht hatte. Daneben verschickte er eine weitere Bewerbung einer von ihm fingierten, 32 Jahre alten Person, die ebenfalls über die geforderten Kenntnisse und Erfahrungen verfügte. Dafür fälschte er Unterlagen. Die gewünschten Praxiserfahrungen dieses fingierten Bewerbers waren wesentlich aktueller und teilweise auch spezieller.

10.500 Euro Schadensersatz gefordert

Die Beklagte lud den fiktiven Bewerber zwei Tage nach dem Eingang der Bewerbung zum Vorstellungsgespräch ein. Dieser sagte sofort ab. Einige Zeit später sagte die Beklagte dem Kläger in allgemeiner Form ab. Der Kläger forderte daraufhin von der Beklagten die Zahlung einer Entschädigung von mindestens 10.500 Euro wegen Altersdiskriminierung.
Nachdem das Arbeitsgericht Neumünster dem Kläger zunächst zumindest teilweise Recht gab, unterlag er in der Berufungsinstanz vor dem Landesarbeitsgericht, so Franzen.
Das Gericht sah keine Indizien für die Vermutung vorliegen, dass der Kläger wegen seines Alters nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen wurde. Es sei nicht ausreichend, allein auf den Altersunterschied abzustellen. Aus Sicht des Landesarbeitsgerichts habe die Beklagte ihre Auswahlentscheidung auf die nach der Papierform aktuelleren Kenntnisse und Erfahrungen des fiktiven Bewerbers gestützt. Weitere Indizien habe der Kläger nicht darlegen können. Nach Ansicht der Kieler Richter sei es durchaus zulässig, ein Testverfahren zu inszenieren. Allerdings müsse jedoch dafür ein Auslöser vorliegen und es dürfe nicht rechtsmissbräuchlich sein. Auch seien die Strafgesetze beachten.

Hinweis auf Strafbarkeit als Abschreckung

Der wohl als Abschreckung für etwaige Nachahmer gedachte Hinweis des Gerichts auf die mögliche Strafbarkeit, z.B. wegen Urkundenfälschung, ist nicht nachvollziehbar.
Denn Testing-Verfahren wurden und werden schon seit langem in der Forschung angewendet, um den Nachweis von Diskriminierung beim Zugang zum Arbeitsmarkt zu führen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich zwei Testpersonen auf real ausgeschriebene Stellen bewerben, die keine Unterschiede in den relevanten Qualifikationen und Eignungen (z. B. Bildungsabschlüsse, Berufserfahrung, Deutschkenntnisse, Alter) aufweisen. Der wesentliche Unterschied in den deutschen Untersuchungen bestand darin, dass die eine Testperson einen deutschen und die andere einen (fiktiven) türkischen Namen trug. Dazu müssen zwingend Unterlagen gefälscht werden.
In einem diskriminierungsfreien Auswahlverfahren müssten beide Bewerber die gleichen Chancen haben, z.B. zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Tatsächlich weisen die Ergebnisse aber große Unterschiede auf.

Auf den Namen kommt es an

Eine im Jahr 2010 vorgelegte Studie kam zum Ergebnis, dass 51,9 % der Unternehmen beide Bewerber, 29,1 % nur den deutschen und nur noch 19 % nur den türkischen Bewerber kontaktierten. Insgesamt, so die Forscher, haben Bewerber mit deutsch klingendem Namen im Schnitt eine 14 % höhere Chance, von dem Arbeitgeber zurückgerufen zu werden. Allerdings fällt die Diskriminierungsrate in kleineren Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten deutlich höher aus (zitiert nach Mario Peucker, Erkenntnisse der sozialwissenschaftlichen Forschung und Handlungsempfehlungen, Seite 28f).
Danach kann bei richtiger Anwendung auch ein durch eine Einzelperson durchgeführter Test durchaus geeignet sein, Ungleichbehandlungen nachzuweisen.

Quelle:  http://www.computerwoche.de